Dialog statt Sprechblasen
Die üblichen Talkshows haben die Kunst des Dialogs für sich noch nicht entdeckt. Sie stecken fest im Schlagabtausch und ewigen Missverständnis. Eine Demokratie aber lebt vom ko-kreativen Gespräch, vom gemeinsamen Sprechen und Zuhören, aus dem beide Seiten verändert hervorgehen können. Leider bieten die bisherigen Formate ein jämmerliches Spiegelbild unserer Gesellschaft, sie sind wie eine ständige Wiederholung des immer Gleichen, niemand hört zu und am Ende ist es meist schlimmer wie am Anfang. Das fördert Resignation und den Verfall der gesellschaftlichen Kultur. Dabei wächst innerhalb der Gesellschaft die Kunst des Dialogs und der Bedarf dafür ist riesig (siehe die zunehmenden Bürgerräte https://www.buergerrat.de/) Es braucht dafür jedoch Moderator:innen, die in der Kunst des Dialogs ausgebildet sind und die nicht immer die Konfrontation für das Salz in der Suppe halten. Und es braucht eine Einladung an Gäste, die nicht einfach Sprechblasen aussondern, sondern als Menschen erkennbar werden. Damit menschliche Verbindungen und neue Lösungen entstehen und nicht die Ödnis der ständigen Aufregung im Gegeneinander. Gedanken und Gefühle gehören als Organe der Erkenntnis zusammen, sonst reden wir uns aneinander vorbei zu tode (und ich langweile mich zu tode). Denn wir leben nunmal zusammen auf dieser einen Erde. Es geht jetzt nicht umgekehrt um esoterisches Wohlfühl-Fernsehen, sondern die "empathische Konfrontation " - sagt der Medienwissenschaftler Pörksen- ist das Stichwort. Insbesondere in politischen Talkshows ist das wichtig, denn "Die Politik zwingt in das Mitdenken dessen, was der andere denkt." (Karl Jaspers) So sollte es jedenfalls sein- und dafür sollte das öffentliche Fernsehen Vorbild sein.
Im schweizerischen Fernsehen gibt es dafür schon vorbildliche Formate https://www.srf.ch/play/tv/sendung/sternstunde-philosophie?id=b7705a5d-…
Diesen Brief hatte ich zum Thema vor ca. einem Jahr an Anne Will geschrieben, da sie in einem ZEIT-Interview selbst Änderungsbedarf gesehen hat.
Liebe Anne Will, liebe Redaktion,
schon lange ersehne ich mir eine andere Gesprächskultur in "Talkshows" (weniger Show, mehr Zuhören, mehr gemeinsames Forschen). Vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt gekommen? Anlass zur Hoffnung gibt mir ihr Gespräch mit Moritz von Uslar in der ZEIT.
In dem Artikel heißt es, "dass die Beschleuniger jeder Gesprächssendung – Streit, Konfrontation, Opponieren, Sich-ins-Wort-Fallen – gerade nicht gefragt sind." Ich glaube, dass sie noch nie einer Demokratie und unserer Situation in der Welt würdig waren. Mit Corona (eigentlich schon mit KLimakrise, gesellschaftlicher Polarisierung, globaler Ausbeutung usw.) kommt jetzt eine neue Dimension hinzu, die sie und viele Menschen empfinden: "Ich bin verunsichert. Das ist das, was die Krise ausmacht: Wir alle fühlen uns verletzlich." Das führt zu einem journalistischen Umdenken, welches wir auch nach Corona (denn danach ist davor und eigentlich immer) nicht wieder verlieren sollten: "Wir suchen nicht, wie sonst üblich, nach gegensätzlichen Positionen, wir suchen nach einer Weitung der Perspektive, gerne über einen anderen, einen wissenschaftlichen Fachbereich." und "Diese Krise bringt uns alle dazu, dass wir unheimlich viel dazulernen."
Das sollte doch der Sinn solcher zivilisierten "Gesprächssendungen" sein!
Wahrscheinlich wird das Publikum wieder kommen und die Abstände werden verschwinden (die äußerlich eine Weitung des Horizonts und des Gesprächsraumes gebracht haben) , aber hoffentlich verschwindet nicht auch die größere Sensibiltät und der Geist der dialogischen Forschung für eine gemeinsame Sache. Diese "furchtbar andächtigen Stille" und die "Versachlichung könnte zum Problem für ihre Sendung werden"? Nein, sie könnte der Beginn einer angemessenen Gesprächsskultur in einer komplexen, verletzlichen und miteinander verbundenen Welt!
Moderation heißt dann für Verbindung und Zuhören statt Egotrip zu sorgen: Haben sie verstanden? Teilen sie die Motive? Wo unterscheiden sich ihre Motive? Was schlagen Sie stattdessen vor? Empathische Konfrontation nennen das Pörkensen /von Thun in ihrem aktuellen Buch "Die Kunst des Miteinander Redens".
Das ist der Dreischritt dieser Kunst: Verstehen (logisches Nachvollziehen), Verständnis (emotionales Nachvollziehen) und Einverständnis (inhaltliches Nachvollziehen und Differenzierung). Die Zeit des unreifen politischen Kindergartens ist vorbei, jetzt ist ieine erwachsene und verantwortliche Kommunikation gefragt!
Im Artikel heißt es: "Am 23. Februar hatte die letzte Sendung der alten Zeitrechnung stattgefunden." Ich hoffe ab jetzt beginnt eine neue Zeitrechnung! Unsere Gesellschaft und Demokratie braucht diese Gesprächskultur, um Lösungen zu finden, die den Problemen gerecht werden können. Und sie bieten mit ihrer Sndung der Gesellschaft ein paradigmatisches Muster dafür. Denn (fast) Alle sehen und hören ihnen zu!
Das würde ich mir wünschen-