Lizenzen und Permanenz von Sendungen

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Lizenzen und Permanenz von Sendungen

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Mit Sicherheit ist einer der stärksten Wünsche, bestimmte Sendungen mögen für immer abrufbar bleiben.
Ein Beispiel: Vor ca. 20 Jahren hat irgendein öffentlich-rechtlicher TV-Sender (ich meine, es war ARTE) von dem Großmeister des Kinos Jean Luc Godard "L'Histoire du Cinema"/"Die Geschichte des Kinos" ausgestrahlt (hier frz. auf vimeo: https://vimeo.com/showcase/4761959). Dieses Mammut-Werk ist sage und schreibe acht Stunden lang. Ich habe es damals auf Video-Cassette aufgezeichnet und es ist noch irgendwo in fraglicher Qualität, da longplay - sonst hätte nicht alles auf einen Datenträger gepasst und altes TV-Format sowieso. Ein HD-Remake müsste nun einmal ausgestrahlt werden und dieses würde man dann aber permanent in der Mediathek haben wollen, da es sich um einen Klassiker der Medientheorie handelt, der das Fernsehen/Kino als Medium selbst thematisiert und es ist bei dieser Länge fraglich, ob man das in einem durch Fristen gesetzten Zeitraum komplett angeschaut bekommen würde.
Dazu werden aber die Lizenzen benötigt. Hier im Zukunftsdialog ist schon auf Geoblocking hingewiesen worden. Ich hab das Thema Geoblocking auch schon beim ORF beklagt. Muss in Europa immer noch zwischen Deutschland und Österreich so etwas sein (wie die Maut?).
Bei Bibliotheken ist es so, dass Verlage an Unis Lizenzen vergeben für den Gebrauch im Haus. Wenn also Godards Kino-Geschichte permanent abrufbar sein soll, so wird die Lizenz wohl vergeben für "im Haus" - also für Deutschland und darf dann nur von hier aus abrufbar sein, um die Lizenzbedingung zu erfüllen. Mit VPN lassen sich Standort-gebundene Anfragen virtuell gestalten. Auch wenn eine Lizenz für ganz Europa herausgegeben werden würde, so wäre immer noch das VPN-Problem. Möglicherweise wäre es erforderlich, die Mediathek mit einem Login abzurufen, wie das bei anderen Plattformen und Streamingdiensten ja auch der Fall ist. Da ist das Problem, dass Profile angelegt werden könnten und alleine die Tatsache, dass ein Profil anzulegen möglich wäre, für den Datenschutz ein Ausschlussgrund sein könnte.
Es gibt die Sieben-Tage-Frist. Diese wurde im Rahmen eines Interessenskonfliktes mit den Zeitungsverlagen eingeführt. Tatsächlich geht es den Zeitungsverlagen, wenn ich es richtig verstehe, aber nicht um Videobeiträge, sondern um die Textpräsenz von Artikeln auf den Webseiten der ARD, weil diese Textpräsenz als Schrifttext für den ebenfalls schriftlichen Zeitungstext wettbewerbsverzerrend wirke, wie es heißt. Was den Konflikt mit den Zeitungsverlagen betrifft, so müsste, denke ich, neu verhandelt werden. Würden die Zeitungen nämlich bei der Suchfunktion der neuen ARD-Mediathek berücksichtigt, und auf deren Zeitungsartikel dürfte verwiesen werden, so könnte das im Gegenzug bedeuten, dass Video-Artikel (ohne Textpräsenz) permanent vorgehalten werden dürften. Mangels genauerer Kenntnis der Debatte ist das nur meine Hypothese und es wird bestimmt Einwände der Art geben, dass mit GEZ-Mitteln keine Suchmaschine finanziert werden dürfe, die auf Zeitungsartikel von Privaten verweist. Also diesen Konflikt - den halte ich wirklich für unzeitgemäß, da (siehe semantic web) die Metadaten Allgemeingut sind oder sein sollten und die Suche alleine ja noch keine Finanzierung von Privaten durch die öffentliche Hand darstellt (ich verweise auch auf den Kommentar von marcus@localhost am Mo., 31.05.2021 - 15:42 unter https://www.ard-zukunftsdialog.de/node/390 der das Problem mit einem Zitat aus einem wissenschaftlichen Artikel klar ausführt).
Mittels einer Suchmaschine (hier die der ARD-Mediathek) generiertes Metadaten-Wissen ist zunächst einmal das: W I S S E N. Und dieses Wissen gehört ... uns (erworben durch GEZ). Es zu wissen ist (ein) wissens-Wert. Die Suchmaschine generiert ein bestimmtes Wissen ÜBER die Daten, hier die der Zeitungsartikel, welches diese frei via API zur Verfügung stellen und die Kehrseite des Verweisens auf die Zeitungsartikel ist eben der Deal, der gemacht werden könnte, wenn ich nicht falsch liege, damit die Sieben-Tage-Frist bei der ARD abgeschafft werden kann. Zu unterstellen, hier würde mit öffentlichen Mitteln Werbung für privatwirtschaftlich geführte Unternehmen gemacht und das sei auch wettbewerbsverzerrend halte ich angesichts der Datenlage einschließlich Europeana.eu und Bibliotheksverbund ZVDD.de für übertrieben. Die Zeitungsartikel fallen in dem riesigen Suchergebnis zu der Anfrage "Adorno" vermutlich gar nicht ins Gewicht, weil es genügend frei verfügbare Quellen zu Adorno geben dürfte, bzw. die Funde von nicht frei verfügbaren Werken Adornos ja dann auch eine wettbewerbsverzerrende Werbung für den Verlag Adornos wären. Hier wird es wirklich absurd. Universitäten haben Bibliotheken und obwohl sie mit öffentlichen Mitteln finanziert sind, sagt auch niemand, hier würde Werbung etwa für den Suhrkamp-Verlag gemacht. Ja die schiere Existenz jeder Bibliothek, in der Suhrkamp-Bücher stehen, wäre ja so eine wettbewerbsverzerrende Hinterhältigkeit. Das ist doch absurd.

Jean Luc Godards "L'Histoire du Cinema"/"Die Geschichte des Kinos"
aber ...
sollte da die Lizenz nicht sowieso global möglich sein ?
kann man da wirklich nichts machen ?
Wäre es denn undenkbar, dass die Erben Godards diese Lizenz schlichtweg stiften ?
Save qui peu. War Godard denn etwa kein linker Intellektueller, der sich mit der Idee des freien Zugangs zum Wissen (da das doch mit Marx gesprochen "Macht" ist) hätte anfreunden dürfen/sollen/müssen ... ?

Kommentare

Gespeichert von Moderation am Mo., 31.05.2021 - 19:46
Moderator:in

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Hallo Guntram Spörl,

Vielen Dank für deinen Beitrag zum Zukunftsdialog. Je kürzer und prägnanter Du Deine Beiträge verfasst, umso mehr Menschen werden sie lesen. Beachte dazu unsere Dialogregeln: 2. Klare und eindeutige Sprache sowie 4. Keine Vielschreiberei.

Viele Grüße

Peter (Moderation)

Hallo Guntram Spörl,

das ist für diese Mal völlig ok. Wir wollten Dich nur für zukünftige Beiträge darauf hinweisen, dass kürzere Texte besser lesbar sind und einzelne Aspekte dann von anderen Teilnehmenden besser kommentiert werden können.

Wir freuen uns auch in den anderen Themenräumen auf Vorschläge und Hinweise von Dir.

Viele Grüße Katja (Moderation)

Gespeichert von Guntram Spörl am Di., 01.06.2021 - 08:58

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Die Permanenz ist extrem wichtig. Wenn z.B. eine Playliste auf Youtube erstellt wird, die einzelne Beiträge als Argument aneinanderreiht und nun fällt einer dieser Beiträge weg, wegen fehlender Permanenz, so wird das Argument insgesamt zerstört.

Dazu habe ich folgende Idee: Rolf Kloepfer, der Filmwissenschaftler (Artikel Rolf Kloepfer, Semiotische Aspekte der Filmwissenschaft. Filmsemiotik, in: R. Posner u.a. (Hg.), Semiotik. Ein Handbuch zu den zeichentheoretischen Grundlagen von Natur und Kultur, Bd. 3, Berlin [u.a.] 2003) hat eine Software produziert, Akira (meine Version von 2007, ISBN 978-939381-06-8, = Akira III. Software zur Analyse und Präsentation audiovisueller Materialien).

Die Software Akira, siehe oben, bedient sich zunächst wie ein Video-Editor. Man lädt einen Film als mp4-Datei und er wird in einer Zeitleiste dargestellt. Hier nun kann der Zeit-Regler an eine bestimmte Szene im Film geschoben werden. Von dieser Stelle kann dann automatische eine Referenz erstellt werden. Und genau diese Methode wünsche ich mir auch für die ARD-Mediathek. So kann Filmwissenschaft online gemacht werden. Man könnte die Videothek zitieren durch Referenz. Dazu ist aber Permanenz erforderlich.